
Aus: "Hauchpapier "
Ob sie noch Fragen habe. Schwester Carola stützt die Hände am Fußende des Bettes ab.
Setzen hat sie sich nicht wollen und Maries Angebot kurzerhand abgelehnt.
Rasches abruptes Losstürzen geht dann nicht, wenn brenzlig oder unaushaltbar.
Also stehen geblieben, die Oberhand behalten.
Marie lächelt die Schwester freundlich an. Hält ihre Tochter sicher und geschickt im Arm,
lächelt ihr zärtlich zu und streichelt das kleine Flaum- und Lockenschädelchen.
Schwester Carola wechselt mehrfach Stand- und Spielbein und setzt noch einmal an.
...
Schwester Carola lässt sich im Dienstzimmer auf einen Stuhl fallen.
Hab ich's doch gesagt. Habe ich doch gleich gesagt. Zwecklos, kommt nicht an.
Keine Chance. Da muss das Jugendamt ran. So kommen wir nicht weiter.
...
Nur der Herr Körber hat nicht komisch geguckt oder merkwürdige Fragen gestellt.

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Noch namenlos.
Er sich den Hut vorgenommen hat. Kaut ausführlich die Ränder glatt,
bis sie vollends eingespeichelt sind und unangenehm nass, dann lässt
er den Hut fallen und wendet sich dem nächsten Objekt zu. Das kann auch
metallen hart sein. Sein zahnloser Mund befragt alles, da er alles schon
einmal gesehen hat. Er kennt das, es erscheint ihm jedoch wie neu. Zahnlos
war er auch früher einmal und erinnert sich an seine zahllosen Mütter.
Sie geht durch den Wald (Wand) an der Böschung entlang. Nur ein Schritt und
sie kollerte. Sie geht den Weg entlang der Böschung und schaut dabei geradeaus.
Sie weiß nicht was als Nächstes kommt. Vielleicht ein Kollern. Sie weiß nicht
was da unten ist, am Grund des Sees, inmitten aller Tanzenden.
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Leichtfüßig und händig, so ein Bewegungsfuror:
Der Fischschwanz des Astendes.
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Wie kleine Puppenbierkästchen, kleine hölzerne Flaschenkästchen,
leise puckernd und blubbernd, letztlich sanftes Scheppern, es scheckert
so still im Hintergrund.
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Das Hineinsprechen in das mobile Telefon, als würde sogleich ein Abbeißen von der Waffel erfolgen oder eines leckeren Brotes.
Lyrik
als wär es hier mehr/ meer
als wär es hier mehr/ meer,
kopft der schädel ins knirschkissen.
als wär es hier mehr/ meer,
verwehen die hochgebirgsfahnen.
als wär es hier mehr/ meer,
gewangtes ich auf dem kissen.
Am Ende
Ahnungsloses
Auffinden von Atemlosigkeit
Und
Im Nachgesang
Die Stimme fort
Getragen
Wundholz
Handständiges Lehnen am Fuß
des Schwesternbaumes, namenlos wie
unbekannt,
später Moosgeweih, einhirschig.
Wurzelhand liegt auf
Schwesternfuß, so
ein ausgedehntes
Hinschauen, gleichzeitig
kaum gesichtete
Wipfel rutschen mit
dem nächsten
Sturz der Sitzbeinhöcker
seitwärts.
Kunst_Texte
"Ich habe von einem Zirkus geträumt"
zu einer Fotografie von Anna M. (Auszug)
I
...er sitzt an seinem porenpolierten Schreibtisch und
versucht vergeblich, die zehn exakt gespitzten Bleistifte zu
sortieren. Einer gerät immer aus der Reihe, rollt oder
rutscht, gefährdet die schwebende Balance, eine
Schieflage dann und
...die Blauberge am Horizont.//
Er schwitzt.
Über der Oberlippe steht zart der plötzliche Film. Es rötet
sich seine Nasenspitze um je eine Nuance ins Dunklere
hinein, je zwingender der Versuch, die Bleistifte auf dem
Schreibtisch festpicken zu wollen.//
Er schaut aus dem Fenster.
Sie steht da immer noch, talaufwärts am Hang, steht und
beobachtet ihn. Immer wieder hat er den Blick senken
müssen, hoffen, dass sie endlich verschwunden sein möge,
beim nächsten unerlässlichen Lugen, pfeilschnelles
Verschmelzen mit dem Karamellkastell, weiß um das
Wogen der Auffaltungen in seinem Rücken, die lichten
Häufchen zu seinen Füßen.//
Sie ist fort.
Sie steht da nicht mehr, wo sie immer gestanden ist, ein
Schattenriss nun.
Und die Dämmerung ihm die Lichter bringt,
er aber sitzt im Dunkel.
Miniaturen
Im Traum oder
Die Lichter (Auszug)
Sie lächelt immer so freundlich wenn sie kommt. Sie ist dann plötzlich da. Steht in der Tür, lächelt,
wünscht mir einen guten Morgen und sieht mich erwartungsvoll an, als wüsste ich, was nun kommen würde.
Ob sie mir beim Schuhe anziehen helfen solle. Da ich noch, wieso eigentlich, im Bett liege, muss das
mit der Sitzposition oder kann ich mir eigentlich nicht, kann ich mir doch die Schuhe auch, da ist ja
auch einer, an dem einen, also hier ist ein Schuh. Dass ich das lassen solle, bedeutet sie mir barsch
und das es so nicht gehen würde. Sie lächelt nicht mehr. Plötzlich sitze ich, strecke die Beine weit
von mir weg, fast als wären das da nicht meine und am untersten Ende baumelt halb links ein Latschen.
Ich solle doch möglichst heute noch die Knie beugen und die Füße aufstellen am Boden, damit auch der
andere Schuh. Nachdem sie meine Beine gefasst und dort unten hin geführt hatte, mit so einem Nachdruck
überhalb der Beinmitte, da wo es sich knickt also, na ja, jetzt wo diese Dinger, alles auf dem Boden
steht, weiß ich was sie meint. Nun geht das aber gleich weiter. Wenn ich nun aber diesen einen Fuß
nicht sofort logischerweise vom Boden lösen würde, ich bin doch kein Storch, warum dreht sie jetzt
die Augen, stimmt doch, es könnte jedenfalls nichts mit dem Schuhe anziehen und die Zeit würde rennen.
Wie spät ist es eigentlich und wo ist meine Uhr. Sie hebt nun mein Bein vom Boden, das kann ich doch
auch alleine, ich bin doch kein Baby und schiebt mir energisch den Latschen von einem Fuß auf den anderen,
also tauscht sie wieder aus, ja was denn nun und aufstehen solle ich dann endlich. Wenn ich nur wüsste
was sie von mir will, ich muss doch erstmal, das hat doch alles einen Grund. Ich habe hier in der
linken Hand so eine Art. Also feucht ist es, fast nass und gekrumpelt und ich habe es in der Hand.
Das Bett ist an manchen Stellen nass. Bin wohl müde geworden über dieses Putzding. Das muss jetzt
erledigt werden, deswegen bin ich doch aufgestanden, oder. Das passt mir jetzt aber gar nicht, das.
Wieso denn in die Küche bringen, ich will doch, das ist, das ist doch mein Lappen, genau, natürlich
mein Lappen und sofort will ich jetzt. Das macht doch alles gar keinen. Hoffentlich soll ich nun nicht
wieder irgendwas, was ich gar nicht. Ich weiß einfach nicht, was sie von mir will. Aufstehen und so
rumlaufen. Mache ich doch sowieso: aufstehen, rumlaufen und schauen was die anderen so machen. Draußen
Stimmen von irgendwelchen Leuten, sagen:
Friedensschwester, wer ist das, die Andrea, wer ist Andrea.
Na, die Ursel. Ach so, der D. kommt. Ihr Pfleger. Nein, mein Kollege. Also ihre Pflege, verstehe.
Etwas lauter:
Nein, mein Kollege! Ach so. Na kann mir auch egal sein, kenne ich sowie nicht. Ich habe
keine Pläne von ihnen, weiß nichts von ihren Plänen in ihren Köpfen.
Erzählung

